"Ein Anspruch auf variable Entgeltbestandteile ist durch Insolvenzgeld auszugleichen, wenn die zugrundeliegende Zielvereinbarung aus Gründen nicht zustande kommt, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat."
Urteile variable Vergütung
Variable Vergütung bei Freistellung und fehlender Zielvereinbarung
Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.03.2006 – B 11a AL 29/05 R
Die dem Urteil zu entnehmenden Äußerungen gerade in Bezug auf die Rechtssprechung im Falle ausbleibender Zielvereinbarungen sind sehr interessant.
In dem konkreten Fall klagte der Arbeitnehmer gegen die Bundesagentur für Arbeit. Diese hatte bei der Bewilligung von Insolvenzgeld die variable Vergütung nicht berücksichtigt, weil es zu keiner Zielvereinbarung gekommen war.
In aller Kürze
Um was ging es hier? In kurzen Worten: Der Kläger war als Vertriebsleiter im Außendienst eines Unternehmens beschäftigt. Einige Jahre zuvor war zwischen dem Vorstand und dem Betriebsrat des Unternehmens eine Betriebsvereinbarung geschlossen worden. Zudem bestand eine individuelle Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber.
Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen sollte der variable Vergütungsanteil 30 Prozent des gesamten Arbeitsentgelts betragen. Diese variable Vergütung hing zu 40 Prozent von der Erfüllung der Unternehmensziele und zu 60 Prozent von der Erfüllung individueller Ziele ab.
Keine Zielvereinbarung
Über das Vermögen des Arbeitgebers war im März 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Für das Jahr 2002 kam es nicht zu einer Zielvereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber. Bei der Bewilligung von Insolvenzgeld hatte die beklagte Bundesagentur für Arbeit die variable Vergütung nicht berücksichtigt.
Diese Verwaltungsentscheidung wurde von den Vorinstanzen bestätigt: Der Anspruch auf die variable Vergütung sei auf Grund der fehlenden Zielvereinbarung nicht zu einer gesicherten Anwartschaft erstarkt. Ohne Zielvereinbarung könne insbesondere nicht beurteilt werden, ob der Kläger seine individuellen Ziele erreicht habe.
Das Bundessozialgericht hat auf die Revision des Klägers die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bleibt der Arbeitgeber – und in diesem Falle die Bundesagentur für Arbeit bezüglich des Insolvenzgeldes – leistungspflichtig, wenn eine Zielvereinbarung aus Gründen nicht geschlossen wird, die vom Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind.
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Bundessozialgericht, Urteil vom 23.03.2006 – B 11a AL 29/05 R
Vorinstanzen: SG Dortmund S 27 AL 26/03 vom 15.07.2004, LSG Essen L 19 (9) AL 188/04 vom 14.03.2005
Die Entscheidung wurde am 06.07.2006 korrigiert. Die Korrektur betrifft die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt.
Ein Anspruch auf variable Entgeltbestandteile ist durch Insolvenzgeld auszugleichen, wenn die zugrundeliegende Zielvereinbarung aus Gründen nicht zustande kommt, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat.
Verkündet am 23. März 2006, Az: B 11a AL 29/05 R
Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, den Richter Dr. Voelzke und die Richterin Dr. Roos sowie die ehrenamtlichen Richter Winnefeld und Rademacher für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2005 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Insolvenzgeld (Insg) für einen so genannten Varioanteil in Höhe von 7.914,78 Euro.
Der Kläger war als Vertriebsleiter im Außendienst (Abteilungsleiter) der S. E. AG in T. beschäftigt, über deren Vermögen am 27. März 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Kläger beantragte am 24. April 2002 die Gewährung von Insg unter Berücksichtigung eines Varioanteils in Höhe von 7.914,78 Euro sowie bestimmter Spesen.
Zwischen dem Vorstand der S. R. AG (das Berufungsurteil enthält keine Feststellung, ob diese mit dem Arbeitgeber des Klägers identisch ist) und dem Betriebsrat war unter dem 22. Februar 1999 eine Betriebsvereinbarung „variables Vergütungssystem“ geschlossen worden. In der Vereinbarung heißt es u. a.:
1) Ziele des variablen Vergütungssystems
Mit der durchgeführten Kapitalerhöhung wurde eine wichtige Voraussetzung für die Neuausrichtung der S. R. AG erreicht. Wichtige Ziele der nächsten Jahre sind die Stabilisierung des bisherigen Kerngeschäfts in der klassischen Unterhaltungselektronik sowie die zügige Kommerzialisierung des Lasers.
Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele ist der besondere Einsatz aller Mitarbeiter erforderlich. Um diesen Einsatz zu fördern, wird ein variables Vergütungssystem eingeführt. Damit sollen die Mitarbeiter einerseits einen zusätzlichen monetären Anreiz erhalten; andererseits soll durch die konkrete Definition individueller Ziele und deren Verfolgung und Aktualisierung sichergestellt werden, dass die betreffenden Mitarbeiter optimal in den zur Stabilisierung der Unterhaltselektronik erforderlichen Gesamtprozess eingebunden werden.
2) Struktur der Zieleinkommen
a) Fixum
b) Variable Vergütung, die entsprechend der Zielerfüllung gewährt wird. Der Erfolg wird gemessen an
· Gesamterfolg des Unternehmens
· Individuellen Zielen
[…]
4) Festlegung des quantitativen Zieles „Unternehmenserfolg“
[…]
d) Feststellung der Zielerreichung
Die Zielerreichung wird auf Basis der Inanspruchnahme der Kreditlinien per 31.12. eines Jahres sowie ggf. der im Zuge des Jahresabschlusses festgelegten Zuordnung der Mittelverwendung auf Geschäftsbereiche (d.h. insbes. auf die Laseraktivitäten) festgestellt.
5) Festlegung/Revision der individuellen Ziele mit Erreichungsgrad
a) Modus der Zieldefinition
Die jeweils vorgesetzte Instanz definiert gemeinsam mit den einzelnen Mitarbeitern individuelle Ziele, die sich an Qualifikation und Aufgabeninhalten des Mitarbeiters orientieren:
· Aufsichtsrat für den Vorstand
· Vorstand für die Bereichsleiter
· Bereichsleiter für die Abteilungsleiter/Sonstige – in Abstimmung mit dem Vorstand
Diese Ziele können sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sein. Sie können unterjährig im Rahmen der Überprüfung der Zielerreichung angepasst werden.
b) Überprüfung der Zielerreichung
Ziel muss sein, eine größtmögliche Objektivität und Gerechtigkeit zu erreichen. Daher sollen zwei Mal jährlich Beurteilungsgespräche mit den Mitarbeitern geführt werden, in denen der Status der Zielerreichung festgestellt und eventuell neue Ziele für das Restjahr definiert werden sollen.
Basis der Bewertung ist ein standardisiertes Beurteilungssystem, das in den nächsten Monaten entwickelt und eingeführt wird.
[…]
6) Höhe des variablen Entgelts
a) Mitarbeiter Gruppe I und II (siehe Punkt 3)
Die individuellen Vereinbarungen werden nur mit beiderseitiger Zustimmung getroffen. Bei Ablehnung werden dem Mitarbeiter keine Nachteile entstehen.
· Für die Mitarbeiter wird ab 01.02.99 ein Zieleinkommen definiert.
Dieses kann und wird vom aktuellen (Fix-)einkommen abweichen.
[…]
7) Form der Vergütung
Für die Jahre 1999 und 2000 soll das variable Entgelt grundsätzlich in Form von Aktien gezahlt werden, welche die LfA aus ihrem Bestand zur Verfügung stellen wird. Ab dem Jahr 2001 wird die S. AG das variable Vergütungssystem aus eigener Kraft finanzieren.
[…]
8) Zeitpunkt der Vergütung
Der Zeitpunkt der Vergütung ist grundsätzlich schnellstmöglich, spätestens jedoch dann vorgesehen, wenn die für die Errechnung der Unternehmensziele notwendigen Daten (Jahresabschluss) vorliegen.
[…]
In der mit dem Kläger geschlossenen „Vereinbarung über die variable Vergütung 1999“ war ein Fixanteil am Jahreseinkommen (in Höhe von 216.000 DM brutto) von 70 % und ein Varioanteil von 30 % (= 64.800 DM) festgelegt. Der Varioanteil war abhängig von der Erfüllung der Unternehmensziele (40 %) und der individuellen Ziele (60 %). Er sollte grundsätzlich in Form von Aktien ausgezahlt werden. Für die weiteren Modalitäten sowie die Konkretisierung der Unternehmensziele wurde auf die Betriebsvereinbarung verwiesen. Ferner findet sich in den Prozessakten eine Niederschrift über ein Jahresmitarbeitergespräch vom 6. März 2001, dessen Gegenstand die Feststellung der Zielerreichung 2000 und eine Zielvereinbarung 2001 war. Eine derartige Vereinbarung wurde für das Jahr 2002 nicht mehr geschlossen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2002 Insg in Höhe von 4.352,18 Euro. Der Kläger wandte sich mit seinem Widerspruch u. a. gegen die Nichtberücksichtigung der variablen Entgeltbestandteile. Die ihm innerhalb des Insg-Zeitraums ab 1. Januar 2002 nicht ausbezahlte Variovergütung bezifferte er mit 7.914,78 Euro brutto (= Januar und Februar 2002 jeweils 2.760,97 Euro; 1. bis 26. März 2002 2.392,84 Euro). Insoweit wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück. Im Widerspruchsbescheid hieß es, die Berücksichtigung der Variovergütung sei ausgeschlossen. Für das Jahr 2002 liege weder eine Vereinbarung über die variable Vergütung noch über den Auszahlungszeitpunkt vor. Außerdem stellten Aktien kein Arbeitsentgelt dar.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Juli 2004).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 14. März 2005). Es hat zur Begründung ausgeführt, dass Varioanteile ihrer Art nach insolvenzfähige Bestandteile des Arbeitsentgelts seien. Entscheidend sei jedoch, ob für den maßgeblichen Insg-Zeitraum ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Varioanteile bestanden habe. Kennzeichnend für die verschiedenen Modelle von Zielvereinbarungen sei, dass Erfolgsbeteiligungen als Entgeltbestandteile auch Risiken für den Arbeitnehmer enthielten, wenn sich die unternehmerischen Ziele am Ende eines Wirtschaftsjahres nicht verwirklichen ließen, im Falle günstiger Geschäftsentwicklung aber auch Chancen beinhalteten, zu dem fest vereinbarten Entgelt weitere variable Leistungen zu erhalten. Um im Insolvenzzeitraum berücksichtigt werden zu können, müsse aus der Möglichkeit, zu dem fest vereinbarten Arbeitsentgelt ein zusätzliches Varioentgelt beanspruchen zu können, schon eine gesicherte Anwartschaft darauf geworden sein. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf einen Varioanteil für die Monate Januar bis März 2002 erlangt, da für das Jahr 2002 keine entsprechende Vereinbarung zu Stande gekommen sei. Ungeachtet dessen sei in den Monaten Januar bis März 2002 auf Grund des angewandten Modells ohnehin nicht feststellbar, ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele erreicht und der Kläger mit einem Varioanteil zusätzlich entlohnt werden würde. Bis zum Eintritt des Insolvenzfalls sei der variable Gehaltsanteil nicht fällig geworden, weil er ausschließlich von der nicht mehr verwirklichten Erfüllung der Unternehmensziele abhängig gewesen sei. Der Kläger könne seine Auffassung auch nicht auf arbeitsgerichtliche Entscheidungen stützen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Düsseldorf vom 29. Oktober 2003 – 12 Sa 900/03 – betreffe den hier nicht vorliegenden Fall, dass der Arbeitgeber die Zielvorgaben sehr wohl nur verspätet festgelegt habe. Das Hessische LArbG (Urteil vom 29. Januar 2002 – 7 SA 836/01 -) bestätige den Grundsatz, dass ein variabler Gehaltsanteil erst mit der Zielerreichung fällig werde.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe zu Unrecht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu gesicherten Provisionsanwartschaften auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen. Vielmehr sei die Rechtsprechung des BSG zu Gewinnbeteiligungen heranzuziehen. Der Arbeitnehmer sei so zu stellen, als wäre er zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung aus dem Unternehmen ausgeschieden. Es treffe zu, dass für das Jahr 2002 keine individuelle Vereinbarung getroffen worden sei. Komme eine Vereinbarung nicht zu Stande, so sei auf § 315 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzugreifen. Die Argumentation des LSG, auf Grund des Modells sei nicht feststellbar gewesen, ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele erreicht worden seien, überzeuge nur, wenn der Varioentgeltanteil ausschließlich an die Unternehmensziele gekoppelt gewesen wäre. Im Rahmen der im Jahre 1999 getroffenen Vereinbarung hätten jedoch die individuellen Ziele mit einem Anteil von 60 % Berücksichtigung finden müssen. Er, der Kläger, sei seinen individuellen Zielen vollständig nachgekommen. Während für das Jahr 2000 die variable Vergütung in Höhe von 64.800,– DM im Juni 2001 – in Form von Aktien – gezahlt worden sei (Schreiben des Arbeitgebers vom 31. Mai 2001), sei für das Jahr 2001 keine Vergütung mehr erfolgt. Die ihm für das Jahr 2001 zustehenden Varioanteile seien aber in ungekürzter Höhe nachträglich vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt worden (Schreiben des Insolvenzverwalters vom 3. Dezember 2004).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2005, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15. Juli 2004 sowie die Bescheide vom 23. Juli 2002 und vom 3. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 7.914,78 Euro brutto zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Ob der Kläger innerhalb des – von seinem Antrag umfassten – Insg-Zeitraums vom 27. Dezember 2001 bis 26. März 2002 einen Anspruch auf eine variable Vergütung in Höhe von 7.914,78 Euro erworben hat, kann der Senat anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 23. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003. Im Revisionsverfahren ist nur noch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Insg unter Berücksichtigung eines so genannten Varioanteils zu entscheiden.
Anspruch auf Insg haben nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III i.d.F. des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001, BGBl. I, 3443) Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach § 183 Abs 1 Satz 3 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den von Arbeitnehmern auf Grund von Zielvereinbarungen zu beanspruchenden variablen Entgeltanteilen um Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Denn Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis sind alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (BSG SozR 4100 § 141b Nr. 26; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 1). An dem Arbeitsentgeltcharakter der mit Zielvereinbarungen verknüpften Leistungsanreize besteht hiernach kein Zweifel, denn diese sollen der Erreichung eines bestimmten Leistungsziels durch den Arbeitnehmer dienen (vgl. Preis in Erfurter Kommentar, 6. Aufl 2006, § 611 BGB RdNr. 626a). Dementsprechend wird die variable Vergütung auch im Recht der Entgeltfortzahlung als Arbeitsentgelt behandelt, das vom Arbeitgeber während auf Arbeitsunfähigkeit beruhenden Fehlzeiten grundsätzlich fortzuzahlen ist (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl 2005, § 69 RdNr. 28d; Lindemann/Simon, BB 02, 1807, 1812 f.; Mauer, NZA 02, 540, 544; vgl. zur Treueprämie auch Bundesarbeitsgericht BAG AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation).
Allerdings begründen nur solche Ansprüche auf Arbeitsentgelt einen Anspruch auf Insg, die für den Insg-Zeitraum zu erbringen sind. Maßgebend ist hier – entsprechend dem Antrag des Klägers – der Zeitraum vom 1. Januar bis 26. März 2002. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitslohns grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist (BSGE 43, 49, 50 = SozR 4100 § 141b Nr. 2; BSG SozR 4100 § 141b Nr. 8; BSGE 89, 289, 291 = SozR 3-4100 § 141b Nr. 24), – mit anderen Worten – dem Zeitraum, für den der Lohn- und Gehaltsanspruch erarbeitet worden ist (BSG SozR 4100 § 141b Nr. 29; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 23). Das steht im Übrigen im Einklang mit der insolvenzrechtlichen Zuordnung von Lohn- und Gehaltsansprüchen (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 59 KO; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 23). Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch im Insg-Zeitraum fällig oder bezifferbar geworden ist (BSGE 43, 49, 51 = SozR 4100 § 141b Nr. 2; BSG SozR 4100 § 141b Nr. 29; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 11). Ansprüche, die über einen längeren Zeitraum erworben, jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt geschuldet werden, sind der jeweiligen Arbeitsleistung anteilig zuzuordnen. Die – hilfsweise – Argumentation des LSG, der auf das jeweilige Wirtschaftsjahr bezogene variable Gehaltsanteil werde ungeachtet der Frage des Bestehens eines (zeitanteiligen) Anspruchs nicht durch Insg geschützt, steht mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang. Denn die Fälligkeit des Anspruchs bis zum Eintritt des Insolvenzfalls und seine Abhängigkeit von der Erreichung der (nicht mehr verwirklichten) Unternehmensziele ist danach ohne Bedeutung.
Hinsichtlich der vom Kläger zusätzlich beanspruchten variablen Vergütung sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, vom Erarbeitungsprinzip abzusehen. Denn es handelt sich bei den auf Grund einer Zielvereinbarung zu leistenden Zahlungen, deren Höhe vom Erreichen persönlicher und unternehmensbezogener Ziele abhängt, nicht um eine Sondervergütung, sondern um laufendes Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für ein bestimmtes Jahr erhält (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl 2005, § 69 RdNr. 28d). Dem Erarbeitungsprinzip ist das BSG im Übrigen auch bei der zeitlichen Zuordnung von Provisionsansprüchen zum Insg-Zeitraum gefolgt, indem es darauf abgestellt hat, zu welchem Zeitpunkt „der Auftrag hereingebracht“ worden ist (vgl. das auch vom LSG zitierte Urteil BSG SozR 4100 § 141b Nr. 26). Die Verknüpfung der hier zu beurteilenden variablen Vergütung mit der Arbeitsleistung wird durch die Ziele des variablen Vergütungssystems bestätigt, das den Mitarbeitern nach Punkt 1 der Betriebsvereinbarung vom 22. Februar 1999 insbesondere einen monetären Anreiz zur Förderung ihres Einsatzes bieten sollte. Die Verknüpfung von Arbeitseinsatz und variabler Vergütung gehört geradezu zu den Wesensmerkmalen eines durch Zielvereinbarungen gesteuerten Vergütungssystems. Die Verknüpfung betrifft insbesondere die „individuellen Ziele“ i. S. des Punkt 5 der Betriebsvereinbarung (s. auch Zielveränderung 2001), jedoch ist auch eine Zuordnung des allgemeinen Ziels Unternehmenserfolg zu bestimmten Zeiträumen nicht ausgeschlossen. Ob allerdings angesichts der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers hinsichtlich der Unternehmensziele eine Vergütung in Betracht kommt, kann zweifelhaft sein (vgl. aber zum Provisionsanspruch bei Betriebsstilllegung und zur so genannten Betriebsrisikolehre, BAG Urteil vom 11. August 1998 – 9 AZR 410/97 – veröffentlicht in juris). Denn dieser Teil der variablen Vergütung – der in unterschiedlicher prozentualer Höhe für alle Mitarbeiter vorgesehen war – ist nach näherer Maßgabe der Betriebsvereinbarung von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens abhängig gewesen (vgl. Punkte 3, 4, 6 der Vereinbarung). Jedoch machen die Unternehmensziele nach der mit dem Kläger für das Jahr 1999 geschlossenen Vereinbarung ohnehin lediglich 40 % des Varioanteils aus, während die individuellen Ziele mit 60 % in Ansatz gebracht worden sind. Jedenfalls die Erfüllung der individuellen Ziele wird durch die Insolvenz des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen.
Dem Anspruch auf die variable Vergütung steht ferner auch nicht entgegen, dass der Kläger nicht während des gesamten Bezugszeitraums (Kalenderjahr 2002) beim ehemaligen Arbeitgeber beschäftigt war. Vielmehr entspricht es der im arbeitsrechtlichen Schrifttum einhelligen Meinung, dass der Zielbonus als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung auch bei einem Ausscheiden vor dem Fälligkeitstermin anteilig entsprechend der Beschäftigungszeit ausgezahlt werden muss (Lindemann/Simon, BB 02, 1807, 1813; Mauer, NZA 02, 540, 545; Deich, Arbeitsvertragliche Gestaltung von Zielvereinbarungen, 2005, S. 104 ff.; vgl. zu Treueprämien auch BAG AP Nr. 77 zu § 611 BGB Gratifikation). Der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des Jahres wird bei derartigen arbeitsbezogenen Sonderzahlungen nicht vorausgesetzt, und eine Stichtagsregelung kann auch nicht rechtswirksam vereinbart werden. Insoweit unterscheidet sich die variable Vergütung von Gratifikationen mit Stichtagsklauseln (vgl. Lindemann/Simon a.a.O.).
Das LSG hat zur Verneinung des Anspruchs auf Insg entscheidend darauf abgestellt, dass mit dem Kläger für das Jahr 2002 keine konkrete Zielvereinbarung als Vorbedingung für einen Varioanteil der Vergütung zu Stande gekommen sei. Die Frage des Bestehens eines durch Insg auszugleichenden Arbeitsentgeltanspruchs trotz fehlender Zielvereinbarung betrifft revisibles Recht (§ 162 Sozialgerichtsgesetz). Denn es geht nicht um die Auslegung der Betriebsvereinbarung, sondern um die Überprüfung der Rechtsanwendung (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 21 m.w.N.). Ob die Argumentation des LSG zutrifft, lässt sich indes auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.
Allein der Umstand, dass eine Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vorliegt, führt nämlich nicht dazu, dass der Arbeitnehmer diesen Vergütungsanteil nicht beanspruchen kann. Ansonsten hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch eine Verweigerung einer entsprechenden Vereinbarung über die Zielerreichung den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers zu beseitigen. Eine derartige Möglichkeit widerspräche dem Grundsatz, dass vorbehaltlos vereinbarte Ansprüche auf eine leistungsorientierte Vergütung vom Arbeitgeber nicht einseitig geändert oder widerrufen werden können (Mauer, NZA 02, 540, 543; Preis in Erfurter Kommentar, 6. Aufl 2006, § 611 BGB RdNr. 626a). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, ein Widerrufsrecht oder eine Befristung der Vergütungsregelung ist der dem Arbeitsentgeltanspruch zu Grunde liegenden Betriebsvereinbarung nicht zu entnehmen (vgl. zu den arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Begrenzung der Bindungswirkung von Bonusregelungen Lindemann/Simon, BB 02, 1807, 1809 ff.; Mauer, NZA 02, 540, 543). Entsprechendes folgt auch nicht aus den weiteren Ausführungen des LSG, auf Grund des beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers eingeführten Modells sei ohnehin nicht feststellbar, „ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele am Ende des Wirtschaftsjahres erreicht und der Kläger mit einem Varioanteil zusätzlich entlohnt werden würde“. Denn ein Vergütungsanspruch muss zwar in seinem Bestand feststellbar sein, doch dies ist nicht mit dem Zeitpunkt der Feststellung der Zielerreichung bzw. der Fälligkeit des Anspruchs gleichzusetzen. Damit kann der Arbeitgeber sich seiner Verpflichtung zur Zahlung der variablen Vergütung nur durch Vertrag oder (Änderungs-) Kündigung entziehen (vgl zur Inhalts- und Ausübungskontrolle eines formularvertraglich vorbehaltenen Widerrufsrechts des Arbeitgebers, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 05, 465, 468 f.). Ein derartiges Vorgehen des Arbeitgebers ist vom LSG nicht festgestellt.
Ob die fehlende Zielvereinbarung für das Jahr 2002 zum Entfallen des Anspruchs auf den variablen Vergütungsanteil führt, kann ohne Berücksichtigung der Gründe, auf denen das Fehlen einer derartigen Vereinbarung beruht, nicht entschieden werden. Hierbei wird vom LSG zunächst zu klären sein, welcher Vertragspartei es oblag, die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen. Der Wortlaut der vorliegenden Betriebsvereinbarung (s Punkt 5a: Die jeweils vorgesetzte Instanz definiert gemeinsam mit dem einzelnen Mitarbeiter individuelle Ziele. Sie können unterjährig im Rahmen der Überprüfung der Zielerreichung angepasst werden.) spricht dafür, dass es Aufgabe des Arbeitgebers war, ein Gespräch über die Zielvereinbarung anzuberaumen. Eine abweichende Beurteilung könnte sich hier allerdings aus einer späteren modifizierenden Vereinbarung oder einer anderen betrieblichen Übung ergeben. Oblag die Initiative hiernach dem Arbeitgeber und erfüllte er diese vertragliche Nebenpflicht nicht, so kann dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers die fehlende Zielvereinbarung nicht entgegengehalten werden. Auch bei Initiativpflicht des Arbeitnehmers entsteht der Anspruch auf die variable Vergütung aus dem Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung (§ 162 BGB), wenn der Arbeitnehmer das Gespräch über den Abschluss einer Zielvereinbarung fordert, ihm jedoch ein derartiges Gespräch verweigert wird (LArbG Köln, Urteil vom 23. Mai 2002 – 7 Sa 71/02 = NZA-RR 03, 305; Bauer/Diller/Göpfert, BB 02, 882, 883; Berwanger, BB 03, 1499, 1502, der regelmäßig eine Obliegenheit des Arbeitnehmers annimmt, den Abschluss der jährlichen Zielvereinbarung beim Arbeitgeber einzufordern).
Ist eine Zielvereinbarung für das Jahr 2002 aus vom Kläger nicht zu vertretenden Umständen nicht zu Stande gekommen, so ist – unabhängig vom materiell-rechtlich zu Grunde liegenden dogmatischen Ansatz (vorrangig Leistungsbestimmung nach § 315 BGB bzw. gegebenenfalls Bedingungsvereitelung nach § 162 BGB, Bauer/Diller/Göpfert, BB 02, 882, 884; vgl. auch Mauer, NZA 02, 540, 547 f.) – die durch Insg auszugleichende variable Vergütung vom LSG festzustellen. Hierbei liegt es nahe, sich an der für das Jahr 2001 getroffenen Vereinbarung zu orientieren (vgl. LArbG Hamm, 26. November 2004 – 10 Sa 2236/03, veröffentlicht in juris; Bauer/Diller/Göpfert, BB 02, 882, 883), wenn der Kläger seine Ziele erfüllt hat. Ausgehend von der Vergütung gemäß der Zielvereinbarung für das Jahr 2001 ist der Leistungsumfang im Wege der Schätzung (§ 287 Zivilprozessordnung) festzustellen und gegebenenfalls zu reduzieren. Im Hinblick auf die Insolvenz des Arbeitgebers könnte der 40%-Anteil der Vario-Vergütung, der additiv zu leisten und an die Unternehmensziele geknüpft ist, in Abzug zu bringen sein.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.